Gerhard und Edith Schmieder in Waldidylle schließen nach 70 Jahren ihr Geschäft
von Franz Herz
70 Jahre lang hatte die Siedlung Waldidylle einen Laden für Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs. Gestern schlossen Edith und Gerhard Schmieder ihr Geschäft für immer.
Das Schieferdach ist weit herunter gezogen. Ein Email-Schild wirbt für Zigaretten, der Briefkasten am Haus wartet auf Post und in zwei Schaufenster sind Waren dekoriert. Im dritten Fenster gestaltete der Heimatverein eine kleine Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen Waldidylles. Niemand ist zu sehen.
Wer durch die Tür geht, steht in einem Laden, dessen Einrichtung noch genauso aussieht, wie sie in den 30er Jahren ein Waldbärenburger Tischler gebaut hat. Für Waldidylle war es ein Treffpunkt. Der 14-jährige Marcel Warschau sagt: "Wenn ich da reinkam, gabs immer einen freundlichen Gruß. Herr Schmieder wusste schon, was ich ungefähr wollte. Wenn er jetzt schließt, müssen wir woanders hinfahren zum Einkaufen, nach Altenberg, Schmiedeberg oder Dippoldiswalde. In der Umgebung gibt es ja kaum noch was."
Der Anfang vor 70 Jahren und das Ende waren die schwierigsten Etappen für das kleine Geschäft in Waldidylle. "Als mein Vater 1930 den Laden aufmachte, da standen gerade mal vier Häuser in Waldidylle", erinnert sich Gerhard Schmieder. Der Vater war Schuhmacher und hatte noch die Poststelle, damit hielt er sich über Wasser. Gerhard Schmieder wurde 1932 in einer schweren Zeit geboren. Mitte der dreißiger Jahre ging es aufwärts. Viele bauten in Waldidylle ihre Häuser, da kauften auch die Bauarbeiter mit ein.
1946 begann Gerhard Schmieder die Kaufmannslehre bei seinem Vater. Die Nachfrage war damals groß, der Ort war voller Menschen. "Jedes Zimmer in Waldidylle war belegt mit Ausgebombten aus Dresden oder Umsiedlern", berichtet er. Waren zu besorgen, war schwierig für die Kaufleute. Teilweise beschafften sie Lebensmittel bei den Bauern, teilweise holten die Eltern mit dem Handwagen die Sachen von der Verteilstelle in Falkenhain. Bis Mitte der 50er Jahre durften sie viele Lebensmittel nur gegen Bezugsmarken verkaufen
Dann ging es aufwärts mit Waldidylle und dem kleinen Geschäft. Urlauber kamen und kauften ein, Proviant und Andenken. Schmieder erinnert sich: "Das war manchmal schon zuviel, die standen bis vor die Türe."
1984 übernahm er das Geschäft mit seiner Frau Edith in eigene Verantwortung. "Ich bin auch immer in Ruhe gelassen worden wegen HO oder Konsum, war immer privater Kaufmann."
Die 90er Jahre brachten wieder große Einschnitte. Ferienheime schlossen und Urlauber blieben aus. Waldidylle selbst mit rund 140 Bewohnern bietet zu wenig Hinterland für den Laden. Große Ketten lehnten die regelmäßige Belieferung ab oder verlangten, dass Schmieder gleich ganze Kartons abnimmt. So viel benötigte er aber nicht. Da fuhr er selbst in den Großhandel nach Dippoldiswalde und Dresden. "Die letzten Jahre haben wir von der Rente dazugelegt", sagt er.
Interessenten gab es schon, die den Laden übernehmen wollten, aber es rechnet sich nicht mehr. "Vielleicht wenn der Tourismus eines Tages wieder zunimmt, dass eine Anlaufstelle in Waldidylle sinnvoll ist", hofft Schmieder. Er will den Laden erst einmal lassen wie er ist. Es gab schon Kaufinteressenten für die originale Einrichtung. Aber darauf ging er nicht ein.
Jetzt will er den Ruhestand genießen, Arbeiten am Haus machen, die immer wieder liegen blieben. Verreisen oder Urlaub, das kannte er bisher kaum. Darauf legt er keinen großen Wert. "Vielleicht mal eine Tagesreise", sagt er. Die Sächsische Zeitung, die er schon seit Jahrzehnten austrägt, will Gerhard Schmieder weiter pünktlich zu ihren Lesern in Waldidylle bringen.
siehe auch Ein Blumenstrauß für Gerhard Schmieder
Im Februar 2004 ist Gerhard Schmieder verstorben. Seine Frau Edith hat das Haus mit dem Laden verkauft und ist nach Altenberg verzogen.